
PARFUM-DUPES & EIN-WIRKSTOFF-DUPES
PARFUM & KOSMETIK – ZWEI WELTEN, ABER IN BEIDEN GIBT ES DUPES
Manchmal scheint es, als würden sich zwei ganz unterschiedliche Kosmetikwelten gegenüberstehen: auf der einen Seite die Welt der sogenannten „Parfum-Dupes“ (Duftzwillinge) – Parfums, die bekannten Luxusdüften zum Verwechseln ähnlich riechen sollen. Auf der anderen Seite Kosmetikprodukte, die sich ganz auf einen Inhaltsstoff konzentrieren, der gerade auf Social Media oder in Beauty-Magazinen im Trend liegt und als Ein-Wirkstoff-Dupe präsentiert werden. Bei näherem Hinsehen zeigen sich verblüffend ähnliche Prinzipien, die komplexe Produkte durch einfache Erzählungen scheinbar leicht zugänglich machen.
Die Welt der Parfum-Dupes
Ein Duft-Dupe (Duftzwilling) meint im Beauty-Kontext die günstige Kopie eines bekannten, meist hochpreisigen Parfums. Ziel ist es, das Original olfaktorisch möglichst genau zu imitieren, aber zu einem Bruchteil des Preises anzubieten. Meist gelingt diese Imitation im ersten Eindruck überraschend gut – oft fehlt jedoch die Tiefe. Denn ein Parfum lebt von fein abgestimmten Duftschichten (Kopf-, Herz-, Basisnote), die sich entwickeln und ineinandergreifen. Den meisten Duft-Dupes fehlt diese Komplexität. Stattdessen dominiert eine plakative Kopfnote, die rasch verfliegt oder linear auf der Haut bleibt – ein Effekt, der oft auf sehr synthetisch fixierte Duftstoffe zurückgeht und kaum Entwicklung zulässt. Das Ergebnis ist selten besonders oder elegant – vergleichbar mit Kosmetik, bei der echte Formulierungskunst fehlt. Hochwertige Parfümerie und gute Kosmetik verbindet: Beide leben von handwerklicher Erfahrung und durchdachter Komposition.


Die Welt der Ein-Wirkstoff-Dupes
Im Bereich Kosmetik beginnt jeder Trendwirkstoff meist mit einer Innovation – oder zumindest mit deren Anschein. Große Rohstoffhersteller entwickeln neue synthetische oder natürliche Zutaten, belegen sie mit Studien und vermarkten sie aktiv an Kosmetikmarken. Eingebettet in komplexe, hochwertige Formulierungen erscheinen diese Wirkstoffe zunächst in hochpreisigen Markenprodukten. Sie setzen den Standard und dienen als Ausgangspunkt für alles, was folgt. Synthetische Wirkstoffe haben strukturelle Vorteile: Sie sind günstiger, stabiler und in großen Mengen verfügbar. Naturbasierte Alternativen existieren, bleiben aber oft teurer und schwieriger zu verarbeiten – ihre Qualität wird im Massengeschäft selten ausreichend berücksichtigt. Wenn ein Wirkstoff zum Trend wird, beginnt die Abstraktion: Der Schlüsselstoff wird isoliert und – als sogenannter Ein-Wirkstoff-Dupe – in zunehmend schlichteren Produkten angeboten, besonders in Drogerien. Die Formulierungen sind reduziert, die Verpackungen erinnern an Forschung und Klinik, auf dem Etikett prangt der Trendwirkstoff als einzige Botschaft. Doch die Qualität des Originals wird selten erreicht: Die Ein-Wirkstoff-Dupes verzichten meist auf ausgefeilte Formulierungskunst. Oft wird an Konzentration oder Stabilität gespart, um Kosten niedrig zu halten. Damit bleibt vom Ursprungskomplex nur noch ein Schatten. Das Prinzip wird beschleunigt durch große Verkaufsplattformen und Social Media. Dort sind die einfachsten Produkte am sichtbarsten – nicht wegen ihrer Qualität, sondern weil die Botschaft schnell erfassbar ist. Wer verschiedene Trendstoffe kombinieren will, benötigt zahlreiche Ein-Wirkstoff-Dupes – statt einer durchdachten, umfassenden Pflege. Etabliert sich der Trendstoff weiter, folgt oft ein weiterer Schritt: Doctor Brands greifen denselben Inhaltsstoff erneut auf, verpacken ihn minimal verändert erneut aufwendig und vermarkten das fertige Produkt als „Innovation“ – die Duplikation eines Dupes, meist zu deutlich höheren Preisen. Der Unterschied zur Parfumwelt ist auffällig: Während Duftliebhaber zwischen Original, Dupe und echter Nischenqualität unterscheiden, geraten hochwertige, naturbasierte Kosmetik und komplexe Formulierungen im Mainstream ins Abseits. Nicht, weil sie schlechter wären, sondern weil sich ihre Qualität schwieriger und weniger plakativ vermarkten lässt. Gute Hautpflege ist wie ein gelungenes Parfum: Keine einzelne Substanz macht die Wirkung, sondern die Komposition.
Zwei Social-Media-Welten. Zwei Dupe-Welten.
Im Bereich Duft-Dupes wie auch bei Ein-Wirkstoff-Dupes steht die Sichtbarkeit der Produkte heute fast vollständig unter dem Einfluss sozialer Medien. Die einfache Formel – „wie das Original, aber günstiger“ – sorgt dafür, dass Produkte allein durch ihre Ähnlichkeit zum teuren Original erfolgreich vermarktet werden. Eine tiefergehende Auseinandersetzung ist selten nötig; Wiedererkennbarkeit genügt. Während im Duftbereich klassische Duft-Dupes schnelle Aufmerksamkeit erzeugen, zeigt sich die Szene differenzierter: Es gibt eine reflektierte Community von Duft-Blogger:innen, die Produkte testet, ehrlich bewertet und auch anerkennt, wenn ein Duft-Dupe tatsächlich überzeugt. Kritische Meinungen zu Linearität, synthetischer Schärfe und fehlender Tiefe sind dort an der Tagesordnung. Auffällig ist, dass diese Gruppe sich weniger an Konzernprodukte bindet, sondern vor allem Nischenparfums und individuelle Duftkompositionen schätzt. Im Kosmetikbereich fehlt eine vergleichbare differenzierte Öffentlichkeit weitgehend. Dort dominieren Ein-Wirkstoff-Dupes die Beauty-Kanäle; ihre plakative und leicht verständliche Kommunikationsform lässt sich schnell skalieren. Große Unternehmen, die Trendwirkstoffe in Masse produzieren, steuern die Vermarktung maßgeblich. Diese Produkte sind vor allem über TikTok, Instagram und Onlineshops präsent – häufig vorgestellt von sogenannten Derma- oder Skinfluencer:innen. Diese geben sich mit Tabellen, INCI-Listen und Claims wie „klinisch geprüft“ wissenschaftlich, doch ihre Argumentation bleibt meist oberflächlich. Die dahinterstehende Konzernlogik wird selten kritisch hinterfragt, stattdessen vielfach unreflektiert übernommen. Es gibt vereinzelt Skinfluencer:innen, die sich um fundiertere Darstellungen bemühen und Ansätze wissenschaftlicher Kompetenz zeigen. Solche Ausnahmen sind jedoch selten und bilden nicht die Regel. Letztlich profitieren auch diese Profile oft von der einfachen, trendfokussierten Kommunikationslogik, weil sich komplexe Pflege und Formulierungstiefe kaum massenmedial vermarkten lassen. Das Konsumverhalten spiegelt diese Kommunikationsweise wider: Einzelne Wirkstoffe werden separat empfohlen – und so wächst die persönliche Pflegesammlung oft auf zehn, fünfzehn oder mehr Ein-Wirkstoff-Dupes an. Diese umfangreiche Routine ist weder praktisch noch hautphysiologisch optimal. Im Gegensatz zu Parfums, die einzeln und abwechselnd verwendet werden, führt das gleichzeitige Schichten und Kombinieren verschiedener Kosmetikprodukte schnell zu Problemen. Unterschiedliche pH-Werte, Konservierungssysteme und Wirkstoffkombinationen belasten die Hautbarriere – die Folge sind Reizungen, Überpflegung und Barrierestörungen. Was als aufgeklärte Selbstbestimmung dargestellt wird, entpuppt sich häufig als unkoordiniertes Experimentieren mit potenziell negativen Auswirkungen. Da Quantität vermeintliche Kompetenz signalisiert, bleibt dieser systemische Fehler jedoch meist unerwähnt.

Zwei Systeme – zwei Maßstäbe
Dupes existieren sowohl in der Welt der Parfums als auch in der Kosmetik, doch ihr Stellenwert und die Art des Umgangs unterscheiden sich grundlegend. Im Duftbereich hat sich über Jahre eine reflektierte Nischen-Community etabliert. Diese differenziert klar zwischen Original, Dupe und qualitativ hochwertigen Nischendüften. Hier werden handwerkliche Gestaltung, Komplexität und Authentizität respektiert und offen diskutiert. Die Community nimmt Qualitätsunterschiede bewusst wahr und schätzt Tiefe und Individualität neben dem Preisbewusstsein. Im Kosmetikbereich dagegen wird der Begriff „Dupe“ kaum genutzt, obwohl das Phänomen alltäglich ist: Ein-Wirkstoff-Dupes, günstige Nachahmungen von Trendwirkstoffen und luxuriöse „Dupes von Dupes“ durch Doctor Brands prägen den Markt. Eine kritische Auseinandersetzung bleibt aber weitgehend aus. Stattdessen dominieren vereinfachte Botschaften, die einzelne Inhaltsstoffe isoliert ins Zentrum stellen und komplexe Formulierungen, insbesondere naturbasierte, weitgehend ausblenden. Qualität und Vielschichtigkeit werden nur selten sichtbar und kommuniziert. Diese Unterschiede sind systemischer Natur: In der Duftwelt haben sich über Zeiträume stabile Nischen mit differenziertem Bewusstsein etabliert. Im Kosmetikmarkt hingegen herrschen schnelle Sichtbarkeit, plakative Botschaften und breite Skalierbarkeit vor – oft auf Kosten inhaltlicher Tiefe. Das Resultat ist eine fragmentierte Pflegelandschaft, die die eigentliche Kunst und Komplexität durch simple Trends ersetzt. Hochwertige Pflegeprodukte ähneln hochwertigen Nischendüften, indem sie mehrere Wirkstoffe zu einem sinnvollen, aufeinander abgestimmten Ganzen verbinden. Ein einzelner Wirkstoff macht keine gute Kosmetik – doch genau das geht im aktuellen Trend oft verloren. Der Appell lautet daher: Hautpflege verdient die gleiche Wertschätzung, Differenzierung und Öffentlichkeit wie Duftkunst. Komplexe, naturbasierte Kosmetik muss nicht nur als „sanfte Alternative“ gesehen werden, sondern als eigenständiges, leistungsfähiges System mit Struktur, Tiefe und Substanz – nur so kann ihre Qualität dauerhaft anerkannt und vermittelt werden.